Review In Justmag

Die Feuermelder.

Autor David Edwards, David Cromwell
Titel Guardians Of Power
Verlag Pluto Press
Seiten 216
Bewertung 7/9

David Edwards und David Cromwell sind die Gründer von Media Lens, eine Internseite aus Großbritannien, die den Mainstream-Medien auf die Finger guckt. Ihre Ergebnisse publizieren sie regelmäßig in sogenannten „media alerts.“ Mit den Erfahrungen der letzten Jahre veröffentlichen die beiden in diesen Tagen ein Buch, das zum ganz großen Schlag ausholt: Guardians Of Power (The Myth Of The Liberal Media. Ziel sind also weniger die offensichtlich unjournalistischen Boulevardblätter, als überwiegend die Flagschiffe liberaler Qualitätspresse in Großbritannien (nur am Rande kommen auch amerikanische Medien vor). BBC, Guardian und Independent sind für die beiden Autoren ebenfalls Teil der „corporate media“, weil sie genauso auf Profit zielen wie ein Unternehmen. Und deswegen dürften sie sich mit den mächtigen aus Politik und Wirtschaft nicht anlegen und vernachlässigten ihre Pflicht zur Wahrheit. „In this book we will argue that the corporate mass media (…) constitute a propaganda system for elite interest,“ schreiben sie zu Beginn.

Edwards und Cromwell können die verzerrte Berichterstattung eindrucksvoll belegen. Zwei Beispiele: Als die UN-Waffeninspekteure 1998 den Irak verlassen, schreibt der Guardian, dass diese wegen der anstehenden Luftangriffe der USA von der UN zurückgezogen worden seien. 2002, als sich der Einmarsch in den Irak bereits abzeichnet, schreibt der Guardian, der Irak habe die Inspekteure herausgeworfen.
Als die NATO 1999 einen Luftangriff gegen Serbien beginnt, begründet sie das mit den Vertreibungen der Kosovo-Albaner durch serbische Soldaten. Doch selbst westliche Experten, beispielsweise aus dem deutschen Außenministerium, sehen in dieser Zeit keine Anzeichen für große Flüchtlingsströme. Die Presse ignoriert das und brandmarkt das Verhalten der Serben als Völkermord. Bittere Ironie: Serbien setzt erst nach Beginn der Luftoffensive durch die NATO mit den Vertreibungen ein.

Die Autoren argumentieren hier so unstreitbar, weil sie mit Quellen arbeiten, beziehungsweise mit den Artikeln der Zeitungen selbst. Eigentlich stellen sich die Medien selbst bloß, nur muss darauf jemand hinweisen, und genau das tun Edwards und Cromwell. Manchmal ist es so offensichtlich, dass sich der Leser fragt, warum ihm das nicht selbst aufgefallen ist. Das Schicksal der Flüchtlinge aus dem Kosovo erhält große Aufmerksamkeit in den Medien, während die Vertriebenen in Afghanistan und Osttimor nur am Rande stattfinden. Erklärung: Im ersten Fall ist der politische Gegner Urheber der Vertreibungen, im zweiten Fall sind es westliche Länder und deren Verbündete. Wenn die beiden die Journalisten per Mail auf solche offensichtlichen Schieflagen aufmerksam machen, reagieren die ziemlich vorhersehbar: 1. Sie machen die Autoren als Verschwörungstheoretiker lächerlich. 2. Sie reden sich mit Zeit- und Platzmangel raus. 3. Sie antworten gar nicht. Das macht sie nicht gerade glaubwürdig, zumal Edwards und Cromwell immer wieder feststellen, dass sie keine Verschwörung für die voreingenommene Berichterstattung verantwortlich machen. Sie sei einfach das unvermeidbare Resultat eines Mediums, das im kapitalistischen Betrieb funktionieren müsse.

An dieser Stelle aber, als die Autoren den quellenbasierten Teil verlassen und sich an eine Theorie der „corporate mass media“ wagen, werden sie unpräzise, vielleicht weil sie glauben, ihre Feststellung alleine sei sowieso offensichtlich. Sie verstricken sich in einen Widerspruch: Auf der einen Seite behaupten sie, ein Journalist sei sich seiner Beeinflussung durch das „System“ nicht bewusst und deshalb von der Aufrichtigkeit seines Handelns überzeugt. Damit übernehmen sie das Modell von Noam Chomsky, das er unter anderem in Manufacturing Consent aufgestellt hat. Auf der anderen Seite sehen sie aber eine Steuerung durch Druck: Der Journalist weiß, dass er bestimmte Interessen nicht verletzen darf. Etwas holprig gerät auch die Passage, in der sie über Lösungsansätze nachdenken. Sie müssten keine Alternativen liefern, sagen sie, es sei erstmal wichtig, dass überhaupt wer auf die Missstände hinweise. Genauso wie jemand, der einen Brand melde, sich keine Vorwürfe gefallen lassen muss, wenn er den Brand nicht auch selbst löscht. Doch wenn sonst keiner löschen will, weil niemand an den Brand glaubt, muss er es eben doch.
Im vorletzten Kapitel deuten sie dann aber Lösungsvorschläge an und weisen auf die Chancen durchs Internet (Blogs, etc.) hin und auch wenn sie hier nichts Neues auftischen, merkt man ihnen an, dass Medienkritik für sie kein Selbstzweck ist. Sie wollen wirklich ein besseres Mediensystem.

Warum Edwards und Cromwell im letzten Kapitel dann aber noch zu einer großen Kritik an der kapitalistischen Moderne ausholen, wissen nur die beiden. Da kauen sie dann einfach wieder, was man aus dieser Richtung gewohnt ist zu hören. Die Kinder werden dicker durch Werbung, Markenklamotten setzen Jugendliche unter Druck und Depressionen sind die Folge eines Systems, das Höchstleistungen verlangt. Sie verlassen den Bereich, auf dem sie brillieren, um sich als Gutmenschen zu profilieren. Letztlich ist das aber nicht entscheidend. Dafür sind die ersten 150 Seiten zu dicht, zu stringent geschrieben. „The most important book about journalism I can remember“, schreibt John Pilger im Vorwort. Das ist übertrieben, aber Guardians Of Power ist unstreitbar eines der überzeugenderen und sachlicheren Beiträge linker Medienkritik.

Fazit: Guardians Of Power liefert lange Zeit einen beeindruckenden Beitrag zur Dokumentation von Lügen und verzerrten Darstellungen in den Massenmedien. Dass Edwards und Cromwell dabei nicht die Yellow Press ins Visier nehmen, sondern die sogenannten liberalen Medien, macht diese Arbeit umso wertvoller. Nur ihre Medientheorie hätten die beiden präziser formulieren müssen.

Sebastian Dalkowski

http://www.justmag.net/artikel_edwards_
cromwell_guardians_of_power.html